Inhalative Sedierung

Informativ und zielwertgesteuert

Messen der Sedierungstiefe

Die regelmäßige Beurteilung des angestrebten Sedierungsgrades erleichtert die Dosierung von Sedativa, wobei die Sedierungstiefe primär von der Erkrankung des Patienten und seinem aktuellen Zustand sowie den notwendigen diagnostischen und therapeutischen Interventionen abhängt.

Angestrebt wird ein ruhiger, leicht erweckbarer Patient, der kooperativ, orientiert und frei von Schmerzempfindungen, Angst und Stress ist.

Tiefere Sedierungsgrade sind zumeist nicht erforderlich und sollten nach Möglichkeit vermieden werden. Grundsätzlich sollten sich die diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen und damit auch der Sedierungsgrad am physiologischen Tag-Nacht-Rhythmus orientieren.

Nach übereinstimmender Meinung sollte das schriftlich fixierte Sedierungskonzept hinsichtlich seiner Effektivität regelmäßig und in engen zeitlichen Abständen überprüft und an die Bedürfnisse des Patienten angepasst werden, um Über- bzw. Unterdosierungen zu vermeiden. Bewährt hat sich die Verwendung von Scoring-Systemen, da sie die Beschreibung des Sedierungsgrades anhand definierter Kategorien erlauben.

Missverständnisse zwischen Mitgliedern des Behandlungsteams können weitgehend ausgeschlossen werden. Der angestrebte Sedierungs-Score wird vom Arzt als Sollwert für Tag und Nacht festgelegt. Die tatsächliche Qualität der Sedierung sollte als Istwert mindestens zweimal pro Schicht vom Pflegepersonal dokumentiert werden. Nach entsprechendem Training kann das Pflegepersonal selbständig eine individuelle Anpassung der Pharmakadosierung in vorgegebenen Grenzen durchführen. Es konnte gezeigt werden, dass ein Protokoll-gestütztes Sedierungsregime die Beatmungsdauer und die Dauer des Intensivaufenthalts verkürzt – unabhängig vom eingesetzten Score.

Idealerweise sollte das Score-System Informationen liefern, mit denen der Sedierungsgrad des Patienten einfach, valide und reproduzierbar erfasst werden kann, und zwar möglichst unabhängig von den zur Schmerztherapie verwendeten Substanzen.

In den letzten Jahren hat sich weltweit der RASS-Score (Richmond Agitation Sedation Scale) durchgesetzt, der eine differenzierte Bewertung der Bewusstseinslage ermöglicht.

WertBezeichnungErläuterung
4StreitlustigOffenkundig aggressives und gewalttätiges Verhalten, unmittelbare Gefahr für das Personal
3Sehr agitiertZieht oder entfernt Schläuche oder Katheter, aggressiv
2AgitiertHäufige ungezielte Bewegung, atmet gegen das Beatmungsgerät
1UnruhigÄngstlich aber Bewegungen nicht aggressiv oder lebhaft
0Aufmerksam und ruhig 
– 1SchläfrigNicht ganz aufmerksam, aber erwacht (Augen öffnen/Blickkontakt) anhaltend bei Ansprache (> 10 Sekunden)
– 2Leichte SedierungErwacht kurz mit Blickkontakt bei Ansprache (< 10 Sekunden)
– 3Mäßige SedierungBewegung oder Augenöffnung bei Ansprache (aber ohne Blickkontakt)
– 4Tiefe SedierungKeine Reaktion auf Ansprache, aber Bewegung oder Augenöffnung durch körperlichen Reiz
– 5Nicht erweckbarKeine Reaktion auf Ansprache oder körperlichen Reiz

Bei relaxierten Patienten ist die Aussagefähigkeit der anhand subjektiver Kriterien ermittelten Scores unzureichend. Blutdruck und Herzfrequenz sind keine ausreichend spezifischen oder sensiblen Marker, mit denen bei diesen kritisch kranken und beatmeten Patienten eine zu niedrige Sedierung sicher erfasst werden kann. Auch die Überwachung tiefer Sedierungsgrade, z.B. bei hirnverletzten Patienten, ist mit Hilfe von Sedierungs-Scores nur eingeschränkt möglich. In jüngster Zeit werden daher vermehrt Monitoringverfahren erprobt, die auf der Messung und Verarbeitung von Hirnströmen beruhen. Dabei werden die rohen EEG-Signale zumeist elektronisch soweit bearbeitet, dass bettseitige online Aussagen zum zerebralen Funktionszustand des Patienten bzw. seiner Schlaftiefe möglich sind. Der Bispektral-Index (BIS) beispielsweise nutzt zur Charakterisierung der Bewusstseinslage eine dimensionslose Skala von 0 (isoelektrisches EEG) bis 100 (vollständige Wachheit).

Obgleich der BIS-Index ein hilfreiches Verfahren für die objektive Erfassung der Narkosetiefe darstellt, sind die Einsatzmöglichkeiten in der Intensivmedizin zurzeit noch begrenzt. So kann der BIS-Index zwischen Patienten, die anhand subjektiver Kriterien den gleichen Sedierungsgrad aufwiesen, erheblich variieren. Insbesondere bei leichter Sedierung scheinen herkömmliche Scores in höherem Ausmaß reproduzierbar zu sein. Problematisch sind auch Überlagerungen der EEG-Signale durch Muskelartefakte, die beim nicht relaxierten, leicht sedierten Patienten unvermeidlich sind und oftmals keine Interpretation des Sedierungsgrades erlauben.

Dementsprechend ist der BIS-Index nur zur Bestimmung der Narkosetiefe unter Verwendung verschiedener Anästhetika wie Propofol oder Midazolam validiert, nicht jedoch für die Messung der Sedierungstiefe bei Intensivpatienten.

Die Beurteilung der Bewusstseinslage durch den BIS-Index kann daher – als Ergänzung herkömmlicher Verfahren – bisher nur empfohlen werden bei tief sedierten Patienten oder bei relaxierten Patienten, bei denen eine ausreichende Sedierungstiefe zur Vermeidung von awareness-Phänomenen sichergestellt werden muss.