Inhalative Sedierung

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Nachteile intravenöser Sedativa

Die angepasste Sedierung der Patienten auf der Intensivstation ist schon seit vielen Jahren akzeptierter Standard (Martin et al. 2005). Allerdings findet sich eine Vielzahl von Therapiekonzepten mit den unterschiedlichsten pharmakologischen Substanzen. Hieraus wird ersichtlich, dass keines der zahlreichen derzeit verfügbaren Analgetika / Sedativa sowie ihrer Kombinationen die medizinischen Anforderungen in idealer Weise erfüllt. Dazu gehören neben einer sicheren und einfachen Anwendung vor allem gute Steuerbarkeit, schneller Wirkungseintritt, fehlende Akkumulation oder Bildung aktiver Metaboliten. Es sollte nicht zur Beeinträchtigung von Atmung, Kreislauf oder gastrointestinaler Motilität kommen. Veränderungen der Metabolisierung sollten auch bei Leber- und Niereninsuffizienz fehlen, ebenso Interaktionen mit anderen Medikamenten. Natürlich sollten zusätzliche toxische Effekte ausgeschlossen sein.

In Deutschland erfolgt die Sedierung von Intensivpatienten heutzutage fast ausschließlich durch intravenös applizierbare Substanzen. Weit verbreitet ist die Verwendung von Propofol zur Sedierung, oftmals auch in Kombination mit einem Opioid wie z.B. Sufentanil, Fentanyl oder Remifentanil.

Diese Kombinationen erfreuen sich auch während der Anästhesie im OP großer Beliebtheit, hier allerdings in deutlich höheren Konzentrationen.

Aufgrund ihrer kurzen kontextsensitiven Halbwertszeiten gewährleisten sie eine gute Steuerbarkeit der Narkose und damit auch sehr schnelle Aufwachzeiten. Diese Eigenschaften sind auch bei beatmeten Patienten in der Intensivmedizin aus verschiedenen Gründen von herausragender Bedeutung. Denn Ziel der Sedierung ist in der Regel nicht der tief sedierte, beatmungspflichtige Patient, sondern der leicht sedierte Patient, der möglichst spontan am Respirator atmet, die maschinelle Unterstützung durch den Respirator toleriert, dabei auf Ansprache wach ist und adäquat reagiert. Nur im Zustand der leichten Sedierung ist der Atemantrieb des Patienten mit der pathophysiologisch wichtigen Innervation des Zwerchfells als Hauptatemmuskel intakt, der für den Erhalt der Lungenfunktion und des pulmonalen Gasaustauschs bzw. dessen Wiederherstellung von größter Bedeutung ist.

Tiefere Sedierungsgrade führen zum Verlust der Spontanatmung mit Erhöhung des maschinellen Beatmungsanteils und konsekutiver Verschlechterung der Lungenfunktion. Sie sollten deshalb vermieden werden (Schaffrath et al. 2004).

Sind intermittierend tiefere Sedierungsgrade erforderlich, wie z.B. bei therapeutischen Interventionen, sollte der Patient möglichst sofort nach der Prozedur wieder weitgehend wach und ansprechbar sein mit wiedereinsetzender Spontanatmung.

Gute Steuerbarkeit der Substanzen ist jedoch auch dann notwendig, wenn über einen längeren Zeitraum aus therapeutischen Gründen tiefere Sedierungsgrade erforderlich sind.

Merke: Denn nur kurzwirksame Medikamente erlauben die regelmäßige (z.B. tägliche) kurzzeitige Beendigung der Sedierung, beispielsweise zur neurologischen Beurteilbarkeit des Patienten.

Bei einem Einsatz über Tage oder Wochen kommt es allerdings auch bei Verwendung von kurzwirksamen Medikamenten wie Propofol zu Kumulationseffekten mit deutlich verlängerten Aufwachzeiten, die nach mehrtägigem Einsatz viele Stunden bis sogar Tage betragen können (Glück et al. 2009). Gefürchtet ist auch das sog. Propofolinfusionssyndrom, ein sehr seltener, lebensbedrohlicher Symptomenkomplex nach hochdosierter oder langandauernder Propofolinfusion. Derzeit ist noch unklar, ob nur die Dosierungsdauer oder die Höhe der Dosierung die Entwicklung begünstigen (Wappler 2006). Im Rahmen eines Propofolinfusionssyndroms werden Zeichen der zunehmenden Herzinsuffizienz sowie Herzrhythmusstörungen beobachtet. Gleichzeitig kommt es zu einer metabolischen Azidose sowie häufig auch zu einer Rhabdomyolyse, welche mit einer akuten Niereninsuffizienz und einem konsekutiven Nierenversagen einhergehen kann. Hypertriglyceridämien sind ein weiteres, wenn auch seltenes diagnostisches Merkmal. Nicht zuletzt deswegen ist die Einsatzdauer von Propofol zeitlich begrenzt. Spätestens nach 7 Tagen muss bei fortbestehender Indikation zur Analgosedierung auf andere Substanzen ausgewichen werden.

Alternativ eingesetzte Sedativa, wie z.B. das Midazolam aus der Gruppe der Benzodiazepine, besitzen jedoch per se eine erheblich längere Halbwertszeit als Propofol, wodurch Kumulationseffekte begünstigt werden. Beim enzymatischen Abbau entstehen zudem wirksame Metabolite mit noch längerer Halbwertszeit. Zusätzlich treten Ceiling-Effekte schon nach kurzer Anwendungsdauer auf, die zu ständigen Dosissteigerungen, abnehmender Wirksamkeit und damit weiterer Akkumulation führen. Die Entwöhnung von Benzodiazepinen wird außerdem gehäuft mit dem Auftreten von deliranten Zuständen in Verbindung gebracht. Ihr langandauernder Einsatz wird somit nicht als unproblematisch angesehen (Riker et al. 2009).

Diesen Folgeerscheinungen versucht man durch Kombination mit Substanzen wie Ketamin oder Barbituraten entgegenzuwirken, wobei auch diese Medikamente durch lange klinische Wirkdauer sowie im Einzelfall kaum abschätzbare Medikamenteninteraktionen gekennzeichnet sind.

Längere Halbwertszeiten führen nicht nur zu einer schlechteren Steuerbarkeit der Sedierungstiefe mit verminderter Beurteilbarkeit des neurologischen Status sowie der Spontanatmungskapazität des Patienten, sondern erschweren auch die Entwöhnung des Patienten vom Respirator. Verlängerte Beatmungszeiten wiederum erhöhen die Rate und Schwere pulmonaler Komplikationen und sind mit einer Zunahme der Sepsisrate, einer verlängerten Liegedauer, erheblich höheren Behandlungskosten und letztendlich einer erhöhten Gesamtletalität vergesellschaftet (L’Her et al. 2008).

Seit Jahren werden daher erhebliche Anstrengungen unternommen, diesem Circulus vitiosus durch therapeutische Interventionen wie täglichen Aufwachmanövern und Medikamentenrotationen entgegen zu wirken. Neuere Substanzen, wie das in jüngerer Zeit eingeführte Dexmedetomidin, werden zwar unter dem Aspekt beworben, bei Langzeitanwendung Vorteile gegenüber den eingeführten Substanzen aufzuweisen, konnten die in sie gesetzten Erwartungen jedoch nicht erfüllen. Zudem sind sie nicht für jeden Patienten und alle erforderlichen Sedierungsgrade geeignet (Bracco und Donatelli 2011).